Das romantisch verklärte Alpenbild

von | März 4, 2021 | 0 Kommentare

Woher kommt dieser Mythos?

Vor Kurzem habe ich einen Blogartikel über den „Traum von den schönen Bergen“ gelesen. Das fand ich sehr spannend, da ich als studierte Kunsthistorikerin meine Abschlussarbeit über das Nachtbild in der Romantik geschrieben habe. Und zugleich fand ich mich gefühlt auch wieder in dem Thema wieder. Beim Lesen der ersten Seiten meiner Magisterarbeit, die ich sofort rauszog, fand ich auch den Schlüssel zur Frage: Woher kommt dieser Mythos.

Die romantische Weltanschauung

Einzigartig und stilbildend für die romantische Kunst, war das Naturverständnis der damaligen Epoche als Reaktion und Gegenbewegung der vernunftbetonten Zeit der Aufklärung. Und so wundert es nicht, dass die romantische Landschaftsmalerei in der europäischen Kunst eine Einzelstellung einnimmt. Woher kommt sie und was macht sie aus?

Runge, der bekannteste romantische Maler vor Caspar David Friedrich, der viele theoretische Abhandlungen geschrieben hat, formuliert es folgendermaßen: „Ist es nicht sonderbar, dass wir klar und deutlich unser ganzes Leben empfinden, wenn wir dicke schwere Wolken bald dem Monde vorübereilen, bald ihre Ränder vor dem Monde vergoldet, bald die Wolken den Mond völlig sehen?“ Und aus literaturhistorischer Sicht ist es Novalis mit seinen „Hymnen an die Nacht“, der das romantische Gedankengut bekannt gemacht hat. In der Romantik war die Natur das geeignete Medium, menschliches Empfinden widerzuspiegeln.

Das war damals neuartig und doch hat sich diese gefühlsmäßige Anschauung, später dann auch in der Kunst für lange Zeit durchgesetzt. Ich vermute, dass die Beschreibung „romantisch“, was ja oft mit „gefühlsbetont“ gleichzusetzen ist, ganz sicher aus dieser Zeit stammt. Denn in der Romantik ging es ja vielmehr darum, die Grenzen des Verstandes auch mit mythischen, verborgenen Aspekten, zu erweitern und dabei Wissenschaft, Religion und Kunst zu vereinen. Es ging um Gefühl, Leidenschaft und Individualität.

Das romantische Landschaftsideal

Schätzungsweise hat zu diesem Ideal bereits im 18. Jahrhundert Jean Jaques Rousseau mit seiner Schrift „La nouvelle Héloise“, in der er sich für die Naturschönheiten begeisterte, stilbildend mitgewirkt. Hier ein eindeutiges Zitat: „In der Tat ist es ein allgemeiner Eindruck, den alle Menschen empfinden, wiewohl sie ihn nicht alle wahrnehmen, dass man auf hohen Bergen, wo die Luft rein und dünn ist, mehr Freiheit zu atmen, mehr Leichtigkeit im Körper, mehr Heiterkeit im Geiste an sich spürt“. In gewissem Sinne empfinde ich diese Beschreibung aus dem 18. Jh. .auch wieder sehr modern und zeitgemäß. Ganz sicher haben Schiller und vor allem Goethe mit ihren Reisebeschreibungen, die dann im Stil der heroischen Landschaftsmalerei illustriert wurden, diese Strömungen auch publik gemacht. Die Alpen wurden als urwüchsige Gegenden mit schroffen Felsen als Sinnbild einer idealisierten wilden und ungebändigten Natur dargestellt.

Wie entstand die alpine Kulturlandschaft?

Bevor die Alpen im 19. Jahrhundert als Wohnraum großflächig besiedelt und urbar gemacht wurden, waren sie mit dichten Wäldern und Latschen bewachsen. Die Täler mussten gerodet und Platz für Almen und Orte geschaffen werden. Noch heute empfinden wir diesen Landschaftsraum mit kleinen Orten, Almen und gastlichen Einkehrmöglichkeiten als einladend und vielleicht auch romantisch. Dadurch sind sie eine ideale Grundlage für den Tourismus. Das reicht allerdings bei weitem nicht aus. Für eine Kultur des 21. Jahrhunderts braucht es mehr. Die moderne Bevölkerung benötigt Platz zum Leben und Wohnen, eine Infrastruktur und Arbeit. Leider ging in den letzten Jahrzehnten, bedingt durch Bauboom ,Tourismus und Wirtschaftlichkeit, die Zersiedelung oft zu weit.

Inzwischen hat man vielerorts verstanden, dass der Erhalt der Kultur- und auch Naturlandschaft sowie der schonende Umgang mit Ressourcen die Grundlagen für die Zukunft sind. Der Trend geht wieder in die andere Richtung: naturnaher Tourismus und Erhalt der einzigartigen Landschaft.  Aber auch diese darf gepflegt werden und dazu benötigt es auch die alpine Kultur mit ihren Bergbauern.

Und wie geht es weiter?

Nach vielen Jahren der planlosen und ehrgeizigen Bebauung von Hotels, Liftanlagen und Straßen, auf denen sich Urlauber in die Urlaubsregionen stauen, haben wir verstanden, dass das so nicht weitergehen kann. Und wie immer in der Kulturgeschichte des Menschen folgt auf eine Bewegung die nächste, sehr oft als Gegenreaktion auf die Ausuferung der anderen. Also dürfen wir hoffen, dass die Planungen mit Verstand und Einsicht auf diesen einzigartigen Kulturraum in Zukunft stattfinden. Dass die Natur, als Quelle für Gesundheit und Erholung, wieder mehr im Dienst des einzelnen Menschen und der Gesellschaft steht und nicht so sehr im Rahmen des Profits ausgenutzt wird.

Viele Menschen suchen in ihrem Urlaub wieder mehr die Beschaulichkeit, das Echte, das Unverfälschte, was es ja in einigen Gegenden der Alpen noch gibt. Gott sei Dank! Und vielleicht kann so das romantische Alpenbild langfristig dazu beitragen, dass der Fokus wieder mehr zurück auf die Natur geht. Dann würde sich der Bogen wieder schließen und wir könnten im Sinne von Rousseau sagen, dass wir ‚auf den hohen Bergen, wo die Luft rein und klar ist, wieder mehr Freiheit atmen können‘.

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Hermine Thrä

Wanderführerin & Lifestylebloggerin

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